Als dieses Buch geschrieben wurde, konnte sich wohl niemand vorstellen, wie aktuell dieses Thema im Jahr 2020 werden wird. Erst unter der Coronakrise erkennen wir, welche Infrastruktur für das tägliche Leben existentiell ist. Dies geht weit über den jetzt offensichtlich werdenden, systemrelevanten Personenkreis hinaus. Das Foundational Economy Collective, eine europäische Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, hat in dem Buch “Die Ökonomie des Alltagslebens“, eine kritische Bestandsaufnahme über den Status der öffentlichen Infrastruktur vorgenommen. Darunter sind u.a. die Kranken- und Energieversorgung, die Verkehrsnetzte und der öffentliche Nahverkehr, Schulen Kitas und Sicherheitsbehörden zu verstehen. Viele dieser Einrichtungen sind weltweit privatisiert oder abgebaut worden und so einer Profitlogik unterworfen. Dies oft unter intransparenten Bedingungen, in sogenannten Private public partnerships. Nebenbei wandelten sich die oben genannten Dienstleistungen zu einer selbstverständlichen Grundversorgung, über deren Zustandekommen sich die breite Öffentlichkeit keine Gedanken mehr macht. Erst bei offensichtlichen Problemen, wie Pflegenotstand oder dem baulichen Verfall der Schulen reagiert die Bevölkerung. Interessant in diesem Buch sind die Umfrageergebnisse in der Bevölkerung zu den Prioritäten der Bürger, hier aus Großbritannien. Auf Platz 1 steht ganz klar die Lebensmittel- und Wasserversorgung, gefolgt von den Notdiensten und einer universellen Gesundheitsversorgung. Die Autoren belassen es nicht bei einer Systemkritik, sondern machen konkrete Vorschläge, wie eine künftige öffentliche Infrastrukturpolitik aussehen sollte.
Unter der Coronakrise alles Aspekte, die neu diskutiert werden müssen. Ein eminent wichtiges und bedeutungsvolles Buch. Wer es schon kennt, sollte es unter der aktuellen Sicht noch einmal lesen, denn: es ist systemrelevant!
Text: Ulf Engelmayer
Die Ökonomie des Alltagslebens – Für eine neue Infrastrukturpolitik, TB, 18€
Edition Suhrkamp, 978-3-518-12732-2