Sie sind alle wieder mit dabei. Die Held:innen aus Regeners letztem Roman „Wiener Straße“: Chrissie und Kerstin, Frank und Freddy Lehmann, die Künstlerclique um H.R. Ledigt und P.Immel. Dazu die Berufsösterreicher von der Arsch-Art Galerie und Charlie, Ferdi und Raimund von der aufstrebenden Noise Band Glitterschnitter. Veränderungen stehen an beim Café Einfall und der Kneipe Intimfrisur – die neue Kaffeekultur soll Einzug halten. Dazu Unfassbares wie partielle Nichtraucherzeiten im Café Einfall. Klar, dass die Konflikte nicht lange auf sich warten lassen. Es läuft halt nicht wie im Fehlfarben Song „Es geht voran“. Streit um Belangloses, endloses Schwadronieren um die richtige Zubereitung von Milchkaffee. Kunst und Wahn lassen sich nicht mehr auseinanderhalten. Dazu kommt noch ein äußerst seltsamer Kontaktbereichsbeamter. Berlin in den 80ger Jahren, so war das halt in der Szene. Abhängen ohne Verwertungsziel war noch nicht komplett existenzgefährdend, wilde neue Projekte lauerten an jeder Straßenecke. Und: der Spaß, die Situationskomik, das Cliquentum. So auch in Glitterschnitter, diesem Schelmenroman mit sehr menschlichen und realen Bezügen zu dieser seltsamen Stadt, die nur durch eine seltsame Transitstrecke zu erreichen war und das Sehnsuchtsziel vieler bundesdeutscher Jugendlicher. Regeners Buch ist voll von unfassbaren Gags und Dialogen, die nur in langen Berliner Nächten entstanden sein können. Man darf nicht zu viel verraten, aber eine Bohrmaschine und eine IKEA Musterausstellung spielen eine tragende Rolle in diesem wunderbaren Roman. Lesen und auf eine Fortsetzung hoffen.
Text: Ulf Engelmayer
Sven Regener – Glitterschnitter, geb, 24€
Galiani Berlin, ISBN 978-3-86971-234-5