Toni lebt in einer spanischen Großstadt in der auch die Mauersegler einen Teil ihres Lebens verbringen. Er beneidet die Vögel, die den größten Teil ihres Lebens in der Luft verbringen. Sie sind elegante Flieger und wenn die Zeit kommt locken ihre Instinkte sie ins ferne Afrika. Toni muss bleiben. Er setzt sich täglich mit Mitmenschen auseinander, die ihm gleichgültig sind. Seinen Beruf als Philosophielehrer an einem Gymnasium mag er nicht. Die oft gelangweilten Schüler machen ihn unzufrieden. Einzig sein Freund, von Toni Humpel genannt, ist ein Mensch, den er in Restaurants oder auf ein Bier in Alfonsos Bar trifft. Von ihm bekommt er Tina geschenkt, eine Sexpuppe. Toni kleidet sie an und aus, kauft ihr Parfüm, spricht mit ihr und befriedigt seine Bedürfnisse.
Toni liebt sein Leben nicht. Obwohl er mit seinem Hund Pepa eine Aufgabe hat, er muss sie füttern, mit ihr spazieren gehen, für sie sorgen, fühlt er sich einsam. Dann sind da noch diese anonymen Zettel, die er in seinem Briefkasten findet. Jemand scheint ihn zu beobachten, Kenntnisse über ihn zu sammeln und teilt ihm die nicht sehr schmeichelhafte Meinung über ihn mit. Heimlich und hinterhältig landen diese Pamphlete in Tonis Briefkasten und er schafft es nicht herauszufinden, von wem diese Mitteilungen stammen. Er beschließt, sich genau in einem Jahr das Leben zu nehmen. Jeden Abend sitzt er zuhause und schreibt Tagebuch. Niemand weiß davon. Er schreibt was ihm einfällt. Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, seine Eltern, sein Studium, Beziehungen zu Frauen, seine kaputte Ehe, sein Sohn oder seine Kollegen. Er beobachtet, sinniert und bildet sich eine Meinung. Toni überlegt, was er hinterlassen wird. Er hat ein Jahr Zeit alles zu regeln. Er fängt Stück für Stück an, seinen Haushalt aufzulösen. Da Toni nichts wegwerfen will, verteilt er bei Spaziergängen mit Pepa Bücher, Porzellan und Kleingeräte. Auto, Geld und Möbel wird er seinem Sohn hinterlassen. Für den Verbleib von Pepa muss er sich etwas überlegen. Die Hündin ist bereits alt und eigentlich gehört sie Toni nicht. Pepa wurde während seiner Ehe für seinen Sohn Nikita angeschafft, der gerne einen Hund haben wollte. Toni ist sich aber nicht sicher, ob er Pepa seinem Sohn anvertrauen kann. Nur Humpel erzählt Toni von seinem Plan aus dem Leben zu scheiden. Doch statt Toni vom Suizid abzuhalten, beginnt sich Humpel mit dem Gedanken, sogar für sich selbst als in Frage kommend anzufreunden. Eines Tages geht Toni mit Pepa in einem Park spazieren. Er lässt sie von der Leine und setzt sich auf eine Bank. Pepa trifft einen großen, hässlichen Hund, mit dem sie fröhlich spielt. Die beiden scheinen sich gut zu verstehen. Toni hat nichts dagegen. Plötzlich wird der Hund von seiner Besitzerin gerufen. Er heißt Toni. Der Mensch gleichen Namens ist verwundert, als die Frau auf ihn zukommt, ihn ansieht und fragt: Toni? Er schaut die unscheinbare, schlecht gekleidete Frau an und ein Wiedererkennen flackert in ihm auf. Es ist Agueda, eine Frau, mit der er vor vielen Jahren zusammen war. Langsam beginnt sie, sich wieder in sein Leben einzumischen. Sie wird die dritte im Bunde, wenn sich Toni mit Humpel in einer Bar trifft. Obwohl er Agueda als unscheinbar und schlecht angezogen empfindet, erkennt er doch einige ihrer guten Eigenschaften. Sie ist freundlich und warmherzig. Toni fühlt sich in ihrer Gegenwart besser.
Die Mauersegler verlassen die Stadt Richtung Süden, wenn sie im nächsten Frühjahr zurückkommen, muss Toni sich entscheiden.
Fernando Aramburu wurde im Baskenland geboren. Er lebt seit Mitte der achtziger Jahre in Deutschland. Seine Romane wurden mit Preisen ausgezeichnet. Eins seiner bekanntesten Bücher ist Patria. 830 Seiten hat sein neuer Roman „Die Mauersegler“. Obwohl der Protagonist Toni ein einsamer, unzufriedener Mann ist, der seinen Selbstmord beschließt, zieht die Lektüre bereits ab der ersten Seite in das Geschehen. Am 31. Juli plant Toni seinen Tod. Genau ein Jahr lang gibt er sich noch Zeit. Das Buch hat 365 Kapitel, für jeden Tag eins. Ein Tagebuch, von dem niemand etwas weiß. Toni schreibt seine Meinung über alles, was ihn bewegt, an wen er sich erinnert. Der Leser lernt Tonis Leben und Ansichten kennen. Obwohl er Philosophie unterrichtet, sind seine privaten Betrachtungen nicht philosophisch. Er ist unzufrieden, nörgelt, ist aber in der Lage Erkenntnisse zu erlangen.
„Die Mauersegler“ ist das Werk eines großen Erzählers, keine Seite zu lang.
Text: Jutta Engelmayer
Fernando Aramburu – Die Mauersegler, HC, 28€
Rowohlt, ISBN 978-3-498-00303-6