Roman, Reisebuch, Essayband, alles findet sich im neuen Werk des niederländischen Schriftstellers und Dichters Ilja Leonhard Pfeijffer. Nach dem Roman „Das schönste Mädchen von Genua“, ist „Grand Hotel Europa“ das zweite ins Deutsche übersetzte Buch.
Nach einer verlorenen Liebe zu der attraktiven Kunsthistorikerin Clio, strandet der alternde Schriftsteller und Ich-Erzähler im Grand Hotel Europa auf Malta. Ein Hotelpalast, der seine große Zeit hinter sich hat und nun von einem chinesischen Manager geleitet wird. Irgendwo zwischen Moderne und Vergangenheit gefangen und von kuriosen Hotelgästen bewohnt, bietet dieser Ort dem Schriftsteller Gelegenheit über seine verlorene Liebe Clio zu sinnieren. Der Liebe wegen zog er mit ihr nach Venedig. Dort konnte er den Verfall der städtischen Kultur beobachten und die Unterordnung aller Werte durch die Dominanz des Tourismus. Eine Beobachtung, die er für viele Orte in Europa macht. Dies gepaart mich Oberflächlichkeit und mangelndem historischen Verständnis. Überhaupt Tourismus: dieses Thema nimmt einen zentralen Raum in Pfeijffers Buch ein. In unnachahmlicher, essayistischer und selbstironischer Manier nimmt sich der Autor alle Strukturen touristischer Reiseformen und Erlebniswelten vor, seziert und verhandelt sie. Dies überwiegend vor dem Hintergrund des alternden Europas, das immer mehr zum Museum verkommt. Der Orginalitätsfaktor steigt natürlich durch den Lesespass unter Coronabedingungen. Man ist dicht, sehr dicht an den Figuren des Romans dran, sitzt mit ihnen am Tisch dieses aus der Welt gefallenen Hotels. Ähnlichkeiten zu Thomas Manns Zauberberg sind hier nicht zufällig. Ein grandioses Buch, mehr noch, ein langanhaltendes Ereignis. Nach dem Lesen ist der Band gespickt mit Book-Darts, kleinen Metallpfeilen, um die besten Zitate schnell wiederzufinden. Eines der literarischen Highlights aus dem Jahr 2020.
Text: Ulf Engelmayer
Ilja Leonard Pfeijffer – Grand Hotel Europa, HV, 25€
Piper, ISBN 978-3-492-07011-9