Der Westen, so wie wir ihn kennen, steht als kulturelle, politische und wirtschaftliche Führungsmacht in der Welt an einem Scheideweg. Die demokratischen Strukturen sind durch Autokraten gefährdet, die wirtschaftlichen Transformationsprozesse sind politisch umstritten und gehen nur langsam voran. Gibt es in der Vergangenheit vergleichbare Prozesse, die zum Untergang von Nationen und Imperien geführt haben? Und wenn ja, können wir etwas daraus lernen? Dieser Frage gingen der Historiker Peter Heather und der politische Ökonom John Rapley in ihrem Buch „Stürzende Imperien – Rom, Amerika und die Zukunft des Westens“ nach. Ähnlich wie im römischen Imperium gab es auch in der westlichen Zivilisation mehrere Jahrhunderte, Wachstum und Prosperität. Nur unterbrochen von verheerenden Kriegen. Auch wenn man Rom und den heutigen westlichen Wirtschaftsblock schon aufgrund der unterschiedlichen Ökonomien nicht direkt vergleichen kann, zeigen die Autoren doch verblüffende Parallelen des Niedergangs. Trotz eines starren und rigiden politischen Systems im alten Rom, gelang einzelnen Persönlichkeiten ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufstieg. Dies insbesondere in den Randgebieten des römischen Imperiums. Dort entwickelte sich ein lebhafter Handel in den Grenzzonen. Auch damals führten dort Instabilitäten durch Einfälle fremder Völker zu ernsten Schwierigkeiten im Imperium. Die Probleme schlugen damals nicht sofort durch, da es eine enge Verbindung zwischen Reichtum und militarisierter Macht gab. Kritisch wurde es in dem Moment, als die imperiale Zentrale nicht mehr in der Lage war, die Interessen aller politisch relevanten Gruppen zu schützen. Diese richteten ihre Loyalitäten daher teilweise neu aus, so die Autoren. Eine Feststellung, die sich durchaus auf die heutige Zeit übertragen lässt. Eine weitere Parallele ist der Entzug, beziehungsweise eine massive Verringerung vermögenserzeugender Ressourcen durch Nachbarn des römischen Imperiums. Heute vergleichbar mit dem Outsourcing von Produktionsmitteln des Westens in Drittländer. Das Buch „Stürzende Imperien“ ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Krise des Westens. Die dort von den Autoren festgestellten, parallelen und produktiven Unterschiede müssen ein Anreiz für eine weitere Interdisziplinäre Auseinandersetzung mit diesem Thema sein. Aus der Geschichte lernen, ein Ansatz, der mehr denn je Gültigkeit hat.
Das Buch „Stürzende Imperien – Rom, Amerika und die Zukunft des Westens“ ist erschienen bei Klett-Cotta und kostet 25€. ISBN978-3-608-98236-7
Text: Ulf Engelmayer
Bewertung ****