Ida Adler ist unter dem Pseudonym “Dora” als Sigmund Freuds Patientin weltbekannt geworden. Die junge Frau wurde von ihrem Vater zu Kur in die Praxis von Dr. Freud geschickt. Ida war ein stures, aufmüpfiges Kind. Schon früh entwickelte sie Krankheiten, die ihren ganzen Körper heimsuchten. Freud ordnete sie als hysterisch ein.
Ida Adler stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, die in Wien lebte. Die Mutter war exzessiv ordnungsliebend und lüftete die Wohnung so lange bis alle froren. Oft musste die Mutter zur Kur und wurde von Ida begleitet. Auch der Vater neigte zu schweren Erkrankungen und wurde von der Tochter gepflegt. Idas Bruder entzog sich der Familie während seines Studiums immer mehr. Er engagierte sich politisch und war als Sozialdemokrat aktiv tätig.
Ida ging nicht gern in die Praxis von Sigmund Freud. Sie war irritiert, wenn er am Kopfende des Diwans saß, auf dem sie liegen musste. Sie konnte ihn nicht sehen, sondern hörte ihn nur. Viele Details, die Ida ihm aus ihrem Leben berichtete, wurden von Freud interpretiert. Ob sie sprachlos war, starke Halsschmerzen hatte oder Magenprobleme, der Doktor bezog die Unpässlichkeiten immer auf das Verhalten von Ida. Eines Tages ging sie nicht mehr in die Praxis. Sie beschloss frei zu sein.
Katharina Adler ist eine Urenkelin von Ida. In ihrer Familie gibt es viele Geschichten über die berühmte Urgroßmutter. Die Autorin begann mit Recherchen innerhalb der Familie, aber auch in öffentlichen Institutionen. Nach fünfjähriger Arbeit entstand ein Werk über eine Frau, die in eine Welt großer gesellschaftlicher und politischer Veränderungen hinein geboren wurde. Dem ersten Weltkrieg, dem Ende des Kaiserreichs, der deutschen Besetzung Österreichs und dem zweiten Weltkrieg. Auch der familiäre Hintergrund wird von der Autorin dargestellt. Beide Eltern sind verhaltensauffällig und die junge Ida wächst in diesem Umfeld auf. Das sie selbst Probleme bekommt ist leicht verständlich. Ida ist eine unabhängig denkende junge Frau, die ihre Kur bei Dr. Freud eigenständig abricht. Für sie ein Sieg. Die Autorin erzählt über diesen Zeitpunkt hinaus über Idas Heirat, der Geburt und Karriere des Sohnes, der sich als Musiker einen Namen macht und schließlich nach Amerika emigriert. Auch Ida muss als Jüdin Wien verlassen und flüchtet über verschlungene Pfade quer durch Europa in die USA.
Ein Erstlingswerk mit Tiefgang und gleichzeitigem Unterhaltungswert.
Text: Jutta Engelmayer
Katharina Adler – Ida, geb., 25€
Rowohlt, 978-3-498-00093-6