Es ist in den USA eines der meistdiskutierten und beachteten Bücher der letzten Monate: J.D. Vance autobiografischer Roman über die vergessene weiße Arbeiterklasse, die maßgeblich zum Wahlsieg Trumps beigetragen hat. Vance, mittlerweile Topanwalt mit Abschluss an der Yale Universität, schildert eindrücklich seine Herkunft. Aufgewachsen in den trostlosen Mittelgebirgen der Appalachen wird er früh mit einer Gesellschaft konfrontiert, deren Werte wenig mit dem bürgerlichen Amerika zu tun haben. Die Mutter Krankenschwester, drogenabhängig, mit ständig wechselnden Männerbeziehungen. Gruppen und Clans die oft ihr Recht gewaltsam durchsetzen. Das Leben ist eintönig, von materieller, kultureller und religiöser Armut geprägt. Mit Hilfe seiner Großeltern gelingt es Vance diesem vorprogrammierten Schicksal zu entrinnen. Doch die Dämonen der Vergangenheit prägen ihn bis heute. Vance Roman bietet einen klaren Blick auf dieses Milieu, der Hillbilly bekommt ein Gesicht. Es ist nicht immer negativ, die Lebenswirklichkeit armer Amerikaner ist auch oft geprägt von Zusammenhalt und gegenseitiger Hilfe. Dennoch: ein Ausstieg aus diesen Strukturen bleibt den Meisten versagt. Wie schwer es selbst für die Aufsteiger ist, macht Vance in den letzten Kapiteln des Buchs eindrücklich klar. Vance stellt die Frage: „Sind wir zäh genug eine Gemeinde aufzubauen, die Kinder wie mich zwingt, sich mit der Welt auseinanderzusetzten, statt sich aus ihr zurückzuziehen?“ „Die Politik kann hier unterstützen, aber keine Regierung der Welt kann diese Probleme für uns lösen“, so Vance. So wirft dieses Buch mehr Fragen auf, als es beantworten kann.
Text: Ulf Engelmayer
J.D. Vance – Hillbilly Elegie, HC, 304S., 22,00€
Ullstein, 07.04.2017, 978-3-550050084