Der Roman von Thomas Kunst war nominiert und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2021, Grund genug sich mit diesem Buch zu beschäftigen. Auch der Klappentext macht Appetit:
Bengt Claasen sitzt im Auto, sein ganzes Hab und Gut im Kofferraum. Vor sich, auf dem
Armaturenbrett, liegt das Halsband seiner verstorbenen Hündin. Dort, wo es herunterfällt, will er anhalten und ein neues Leben beginnen. Er fährt so langsam und vorsichtig, wie es nur geht, und landet schließlich in Zandschow – einem Nest im äußersten Norden mit einem Feuerlöschteich im Zentrum. Schnell stellt er fest: Die Bewohner des Orts rund um
“Getränke-Wolf” folgen einem strengen Wochenplan, donnerstags werden zum Beispiel
zwanzig Plastikschwäne auf dem Teich ausgesetzt, und sie feiern an ihrer “Lagune”
Festspiele unter künstlichen Palmen. Überhaupt: Mit den prekären Verhältnissen mitten in
der Pampa finden sich die Menschen hier nicht mehr ab. Ihr Zandschow ist Sansibar, hier
kann man arm sein, aber trotzdem paradiesisch leben, in viel Verrücktheit.
So weit so gut. Ein origineller Pitch denkt man, und ja, zu Beginn des Buchs werden die
Leser:innen gebannt in die Handlung hineingezogen. Selbst das Schwadronieren über
fremde Welten und das Wegmäandern des Textes nimmt man noch amüsiert zur Kenntnis.
Doch dann wir der Text über weiter Strecken zum Ärgernis. Ellenlange mehrfache wörtliche
Wiederholungen, die Wiederkehr des Ewiggleichen symbolisieren sollen, machen den Text
zur Tortur. Radikal ist das mitnichten nicht, die Monotonie der Existenz haben andere
Autoren gewichtiger beschrieben. Und dennoch: es gibt Abschnitte, in denen die
Möglichkeiten des Autors aufblitzen. Zandschow und Ricky Rabowski, das passt: der Held ist
ein Vorarbeiter in einer Gießerei, Neurotiker und sorgsam bedacht auf strukturierte
Tagesabläufe. So orginell, dass dies nur ein Mensch aus dem wahren Leben sein kann.
Diese Widersprüchlichkeit macht das Buch wiederum interessant, wenn auch nicht
unverzichtbar. Unabdingbar allerdings die Playlist des Autors am Ende des Buches. Da gibt
es einiges zu entdecken, bzw. seinen Gehörgängen etwas Neues zuzumuten.
Zandschower Klinken, ein Buch in dem Seiten weiterblättern erlaubt ist, zur Seite legen aber
ein Fehler wäre.
Text: Ulf Engelmayer
Thomas Kunst – Zandschower Klinken, HC, 22€
Suhrkamp, ISBN 978-3-518-42992-1