Die Geschichte einer besonderen Freundschaft, so der Untertitel eines neuen Buchs über den legendären Modeschöpfer und Fotografen Karl Lagerfeld. Der Autor Baptiste Giabiconi wurde 2008 in Marseille als Modell entdeckt und erregte daraufhin das Interesse von Karl Lagerfeld. Bekannt wurde er durch eine entsprechende Sonnenbrillen Kampagne des Modezaren. Schnell rückte er in den inneren Kreis der Lagerfeld Crew auf. Er wurde zu seiner Muse und seinem ständigen Begleiter. Giabiconi, der aus einfachen Verhältnissen stammt und vor seiner Modellkarriere in einer Hubschrauberfabrik arbeitete, lernt an der Seite eines der bekanntesten Gesichter der Welt das Jetset Leben und die Rituale der Modebranche kennen. Ermutigt von Karl Lagerfeld versucht er aber, sich eine unabhängige Karriere aufzubauen. Wer sich von dem Buch „Karl und ich“ Enthüllung und Klatsch über den französischen Modeschöpfer verspricht, der wird enttäuscht werden. Das gesamte Buch ist geprägt von Respekt und tiefer Verbundenheit gegenüber dem Mentor, dem Freund und der Vaterfigur. Natürlich erfährt der Leser einiges über das Privatleben Lagerfelds, das er im besten Sinne des Wortes privat hielt. Schwierig für seine Mitarbeiter:innen, war im Alltag Lagerfelds notorisches Zuspätkommen und seine Konfliktscheu. Dies wurde aufgewogen durch seine Großzügigkeit und Achtsamkeit dem Team gegenüber. Die Beziehung zwischen Muse und Künstler war natürlich nicht konfliktfrei, insbesondere der eigenständige Weg Giabiconis führt gegen Ende zu teilweise anstrengenden Auseinandersetzungen. Als Lagerfeld ernsthaft an Krebs erkrankte, ließ er persönliche Kontakte, auch von engen Freunden immer weniger zu. Der alteingesessene Clan um den Modeschöpfer schien das zu fördern. Baptiste Giabiconi konnte so seinen Freund erst auf dessen Beerdigung wiedersehen. Giabiconi bemerkt in seinem Buch: “Allerdings redete man auch nicht mit Karl, man verhielt sich zu ihm, reagierte auf ihn, das war etwas anderes“. Die interessantesten Strecken im Buch sind Giabiconis Anmerkungen zum Luxusleben und dem dazugehörigen irrsinnigen Konsum.
Alles in Allem ein Buch nicht nur für die Lagerfeld Gemeinde, sondern für Alle, die ein Gefühl dafür bekommen wollen, wie sich ein schöpferisches Leben für den Meister und seine Gefährten anfühlt.
Text: Ulf Engelmayer
Baptiste Giabiconi – Karl und ich, geb, 20€
Heyne, ISBN 978-3-453-21814-7