Schon mit seinem Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann“, hat der amerikanische Moralphilosoph Michael Sandel ein erhebliches Aufsehen erregt. Jetzt nimmt er sich in seinem neuen Buch „Vom Ende des Gemeinwohls“ die Ethik des Erfolgs vor. Was er dort zu Papier gebracht hat, dürfte vielen liberalen Eliten, insbesondere in der demokratischen Partei, nicht sonderlich gefallen. Eine zentrale These des Buchs ist, dass die Herrschaft der technokratischen Dienste die Vorstellung sozialer Anerkennung auf eine Weise neu festgelegt hat, die das Prestige der akademischen Klassen steigert und die Beiträge der meisten Arbeiter abwertet, was deren soziale Stellung und Wertschätzung zersetzt. Politische Debatten die zunehmend technokratisch und verwaltungstechnisch verengt sind, erreichen weite Teile der Bevölkerung nicht mehr. Aufstieg erfolgt über eine Meritokratie, die Kompetenz und vor allem eine formelle akademische Ausbildung betont. In diesem System ist eine soziale Mobilität in der Regel nur den bessergestellten Bevölkerungsteilen vorbehalten. Leistungsgerechtigkeit wird da schnell zu einer Leerformel, meritokratische Überheblichkeit macht sich an den Universitäten breit. Populisten wie Trump nehmen den zunehmenden Unmut in Teilen der Bevölkerung instinktiv auf und richten ihn geschickt gegen die liberalen Eliten. Der Unmut speist sich aus der verlorenen Anerkennung und Wertschätzung, der Rat „Du kannst es schaffen, wenn Du Dich anstrengst“, gilt in diesem geschlossenen System nur noch bedingt. So schlüssig die Kernthesen in Sandels Buch sind, die oftmaligen Wiederholungen und die Langatmigkeit, machen das Buch streckenweise anstrengend. Dennoch ein wichtiger Beitrag zur aktuellen politischen Debatte. Hier ist eine größtmögliche Verbreitung und Diskussion von Sandels Thesen erwünscht und notwendig.
Text: Ulf Engelmayer
Michael Sandel – Vom Ende des Gemeinwohls, HC, 25€
S. Fischer Verlag, 978-3-10-390000-2