Schaut man sich das Buchangebot zum Thema Existentialismus an, so findet man überwiegend antiquarisches, teilweise zu horrenden Preisen. Die Philosophen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts scheinen nicht mehr gelesen zu werden. Umso erstaunlicher das Buch der englischen Autorin Sarah Bakewell. Ihr jetzt auch als Taschenbuch erschienenes Werk „Das Café der Existenzialisten“ nimmt uns mit in die Welt der Philosophen, die vor allem die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt haben. Mehr noch: Der Lebensstil der Pariser Existenzialisten übte auch für viele junge Menschen in der Nachkriegszeit einen unwiderstehlichen Reiz aus. Nur wenige hatten die Grundlagenwerke der französischen Philosophen gelesen, ja verstanden. Aber der Habitus von Sartre, de Beauvois und Camus sprach die Jugend an. In Cafés sitzen, disputieren, Jazz hören, offene Partnerbeziehungen führen, politisch die alten Eliten provozieren, das alles war unerhört und neu. So nimmt es nicht Wunder, dass im April 1980 nach dem Tod von Jean-Paul Sartre Paris stillstand, zehntausende seinem Sarg durch die Metropole folgen. Sarah Bakewells großer Verdienst ist es, diese Zeit wieder aufleben zu lassen. Mehr noch: Sie vermittelt auch für Laien in verständlicher Form die unterschiedlichen Denkmodelle dieser wilden Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit. Der Bogen wird weit geschlagen: Von der Phänomenologie Husserls und Karl Jaspers über Martin Heidegger den Mystiker, Nazianhänger, Waldschrat und Lieblingsphilosophen des gehobenen Nachkriegsbürgertums. Simone de Beauvois wird in den richtigen Kontext gestellt, ihr bahnbrechendes Werk „Das andere Geschlecht“ gilt zu Recht als das Standardwerk feministischer Literatur. Die Entdeckung des Buches ist zweifellos der charismatische Phänomenologe Maurice Merleau-Ponti, der wichtige Impulse für die heutigen Kognitionswissenschaften geliefert hat. Man könnte noch viel über dieses Buch schreiben, über „Die existentialistisch Ideen und Vorstellungen, die so tief in der modernen Kultur verankert sind, dass wir sie kaum als solche wahrnehmen“, wie Sarah Bakewell anmerkt. Der Kernsatz der Sartreschen Philosophie, in der Übersetzung Sarah Backewell lautet: „Der Mensch ist in die Welt geworfen und muss sich – seine Natur, seine Essenz, sein Wesen – erst definieren…“ Das Prinzip „Die Existenz geht der Essenz voraus“, dürfte grade heute viele Menschen ansprechen. Die Autorin bringt uns diese Zeit, diese Philosophen wieder näher. Dieses Buch sollte man am Besten in der gebundenen Version besitzen, denn jeder der an Erkenntnis interessiert ist, wird es immer wieder hervorholen.
Text: Ulf Engelmayer
Sarah Bakewell – Das Cafe der Existenzialisten, geb., 24,95€
C.H. Beck, 978-3-406-69764-7