Wer sind die Personen, die gesellschaftliche Reform- und Erneuerungsprozesse anstoßen? Die mit unorthodoxen Gedanken und Ideen die jeweiligen Zeitgenossen aufrütteln? Oder die mit ihren progressiven Ideen zu früh dran waren und erbarmungslos bekämpft wurden. Loel Zwecker erzählt in seinem Buch „Die Macht der Machtlosen“ die Geschichte vieler unbekannter Personen der klassischen Zeitgeschichte. Zum Beispiel die Amerikanerin Mother Jones, die eine Kampagne gegen die Kinderarbeit organisierte und sich direkt mit dem Großmogul John Rockefeller anlegte. Der Autor beginnt mit der Geschichte der Abolitionisten – also der Anti-Sklaverei Bewegung in den USA. Viele, oft Einzelgänger, prangerten das Leid der Sklaven an und organisierten sehr raffiniert die Proteste dagegen. Oft vermieden sie direkte Angriffe auf die Eliten und betonten, wie wichtig Empathie in Wirtschaft und Politik sei. Interessant auch der Abschnitt über die englische Blue Stockings Society, eine frühe feministische Strömung, die im 18. Jahrhundert gesellschaftliche Anliegen diskutierte. Natürlich geht es in dem Buch um Frauenrechte und wirksame, humane Umwandlung des gemeinsamen Reichtums. Das spannendste Kapitel erzählt die Geschichte über die englischen Diggers. Anhänger einer von Gerrard Winstanley gegründeten christlich-frühkommunistischen Bewegung, auch True Levellers (wahre Gleichmacher) genannt. Diese setzten sich nicht nur in Schriften mit dem Thema auseinander, sondern waren auch Leute der Praxis, bauten Kommunen auf und verteilten die Erträge ihrer gemeinschaftlichen Arbeit an Bedürftige. Da zudem vehement eine Landreform eingefordert wurde, reagierte die lokale Aristokratie mit der Zerschlagung der Reformbewegung. Viele ihrer fortschrittlichen Ansätze haben bis in die heutige Zeit nichts von ihrer Aktualität verloren. Das „Vertrauchtmachen“ mit unbekannten Personen und Ereignissen aus der jahrhundertealten Geschichte der politischen Emanziptionsbewegung ist der große Verdienst des Buchs von Loel Zwecker. Ausreichend „Aha-Momente“ sind garantiert bei dieser Geschichte der sogenannten einfachen Leute, vieles hat unsere Medienlandschaft nur partiell erreicht. Mehr könnte schon sagen, wer der weltweitweit ärmste Regierungschef der Welt war. Tipp: er regierte ein Land in der Zeit von 2010 -2015 und fuhr einen hellblauen Käfer, Baujahr 1978.
Ergänzt wird dieser großartige Band durch ein siebzig Seiten langes umfangreiches Literatur-, Zeitschriften- und Artikelarchiv mit interessanten Anmerkungen. Ein Muss für jeden, der sich für Geschichte abseits der Schullehrbücher interessiert. Zudem hochaktuell auf die Anmutungen der gesellschaftlichen Gegenwart. Das Buch „Die Macht der Machtlosen“ von Loel Zwecker ist erschienen bei Tropen und kostet 26€.
ISBN 9-783608-501933
Text: Ulf Engelmayer
Bewertung ****