Wenn auf einem Popbuch der Name Jon Savage als Autor steht, kann man sicher sein, das etwas Besonderes bevorsteht. Savage, u.a. ein ehemaliger Journalist bei der Sounds und dem New Musical Express, Buchautor und Herausgeber genialer CD-Compilations, hat mit „Sengendes Licht, die Sonne und alles andere – Die Geschichte von Joy Division“ einen neuen Standard im Bereich Künstler Biografien gesetzt. Keine Fanbiografie, sondern die Geschichte von vier Freunden die eine Band gründen, ein legendäres Indielabel und die Geschichte einer Stadt. Originell der Erzählstil: „oral History“ würde man das wohl nennen. Über 35 Zeitzeugen kommen zu Wort. Die Band, Manager, Graphiker, Labelchefs, Freunde, die Ehefrau, die Freundin vom charismatischen Sänger Ian Curtis, der sich kurz vor der ersten US-Tournee das Leben nahm.
Beim Lesen dieses atmosphärisch sehr dichten Buchs wird klar: Curtis und seine Songtexte, seine exaltierten Liveauftritte, waren das Zentrum, um das sich die übrigen drei Bandmitglieder Bernard Sumner, Peter Hook und Stephen Morris, bewegten. Zusammen entwickelten sie auf den beiden Platten einen sehr eigenen Stil, irgendwo zwischen Punk, elektronischen Elementen, Industrial und New Wave. Curtis, ein eher introvertierter Typ, auf der Bühne ein genialer Performer, war gesundheitlich schwer gehandicapt. Zunehmende schwere epileptische Anfälle machten jeden Liveauftritt zu einem riskanten Act.
Durch den ständigen Perspektivwechsel wird der Leser stark in die Geschichte gezogen. Ein genialer Kunstgriff von Savage. Die Entwicklung der Band ist nur durch die Geschichte der Stadt Manchester zu verstehen. Der Aufstieg einer Band mit unglaublicher Wirkmächtigkeit, so im Jahr 2020 wohl kaum möglich.
Eines der besten aktuellen Popbücher, nicht ohne Grund auf der Spiegelbestsellerliste. Detailreich, berührend und ein wichtiges Dokument der Popgeschichte.
Text: Ulf Engelmayer
Jon Savage – Die Geschichte von Joy Division, HC, 20€
Heyne Hardcore, 978-3-453-27251-4