Till Raether – Die Architektin

Mal ein Architektur Roman, ja warum denn nicht! Der Journalist und Buchautor Till Raether hat sich mit dem Bauboom der siebziger Jahre in Berlin beschäftigt. Da gibt es eine Architektin, die sehr gut die verschiedenen Ebenen bespielen kann. Sprich: sehr gute Drähte zu dem Senat und der Finanzdirektion hat und mit Großprojekten im Stadtbereich zur Toparchitektin in der Frontstadt aufsteigt. Da gibt es den Kreisel, der zurzeit irgendwie nicht vorangeht und auf dem seltsame Dinge passieren. Aufgedeckt hat das Otto Bretz, Praktikant einer Vorort Zeitung, der sich immer tiefer in die Geschehnisse verwickelt und dann auf die Architektin trifft. Sie selbst ist eine glamouröse Person, in der Berliner Society gut vernetzt, sehr eloquent und selbstsicher im Auftreten. Für den Roman die besten Voraussetzungen für eine sehr originelle Geschichte inmitten des Berliner Milieus der siebziger Jahre. Und ganz aus der Luft gegriffen ist die Geschichte nicht, denn diesen Kreisel gibt es wirklich. Es handelt sich um den Steglitzer Kreisel, ein monumentales Hochhaus in Steglitz. Und dann kommt noch ein anderer vor, nämlich der sogenannte Bierpinsel ein brutalistischer Turmbau ebenfalls in Steglitz. Auch die Hauptprotagonistin gab es wirklich, nämlich die Architektin Sigrid Krassmann-Zchach, sie war in einem veritablem Bauskandal in den siebziger Jahren verwickelt. Ebenso scheint Till Raether auf eigene Erfahrungen als Journalist zurückgreifen zu können: er begann beim Spandauer Volksblatt mit einer Kritik über einen Science-Fiction Autor. Der Autor hat Erfahrung in mehreren Metiers, als Buchautor und Journalist, unter anderem war er stellvertretende Chefredakteur der Brigitte. Seine Kriminalromane über den hochsensiblen Kommissar Adam Dannowski wurden von der Kritik gefeiert und mehrfach für Preise nominiert. 2021 erschienen sein Roman Treue Seelen bei BTB. Raether gelingt es ziemlich gut, die Atmosphäre der siebziger Jahre in seinem Roman rüberzubringen. Für diejenigen Leserinnen, die diese Zeit miterlebt haben, gibt es ein wahrhaft plastisches atmosphärisches Wiedererleben. Das Getränk „Herva mit Mosel“ in Piccoloflaschen und Schraubverschluss wird wohl noch jeder kennen. Der Roman die Architektin ist ein sehr gelungenes gelungenes Zeitportrait über die Bauwut und die gesellschaftlichen Beziehungen in der Berliner Nachkriegszeit, sehr zu empfehlen. Nebenbei bemerkt.: Till Raether hat noch einen Podcast mit Namen „sexy und bodenständig“.

Text: Ulf Engelmayer
btb, ISBN 978-3-442-75927-9, 24,00€

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