Suzette Mayr – Der Schlafwagendiener

Menschen im Transit – immer ein spannendes Literaturthema. Im Mittelpunkt des neuen Romans der kanadischen Autorin Suzette Mayr steht der Schlafwagendiener Baxter. Dieser möchte Zahnarzt werden und spart jeden Cent Trinkgeld für sein Studium. Die mehrtägigen Schlafwagentouren quer durch Kanada sind mit einer hohen Arbeitsbelastung und zahllosen Regeln für den Schlafwagendiener verbunden. Dieser steht in der Hierarchie ganz unten. Er muss für die oft skurrilen Wünsche der Fahrgäste zur Verfügung stehen und sich um die Sauberkeit der Toiletten und Abteile kümmern. Die ständige Müdigkeit und die Angst, gegen die Regeln zu verstoßen, belasten Baxter stark. Zwei weitere Handicaps erhöhen den Druck. Baxter ist schwarz und fühlt sich zu Männern hingezogen. Eine Hingabe, die ihm im Jahr 1929 nicht nur seinen Job kosten kann, sondern auch zwangsläufig in den Knast bringt. Dennoch kommt es zu kurzen, fiebrigen Leidenschaften, auch von einer sehr eindeutigen Postkarte kann er sich nicht trennen. Als der Zug zudem in einer Schlammlawine steckenbleibt, wird die Situation für Personal und Passagiere immer angespannter.
Hat man das Buch gelesen, wundert es nicht, dass Suzette Mayr dafür den Kanadischen Literaturpreis bekommen hat. Atmosphärisch dicht, breitet sie dort das kleine Universum einer Zugreise aus, deren Beteiligte sich in dieser Konstellation wahrscheinlich nie wieder begegnen werden. Pointiert beschriebene Charaktere, schrullig, bis bizarr. Aber auch normal und bodenständig. Dazwischen Baxter, ständig zwischen Müdigkeit, Hunger, Wahn, Angst und Erregung hin und her gerissen. Ein ernstes Buch mit komischen Momenten, eine Würdigung der Lohnsklaven, die reichen, weißen Fahrgästen 24 Stunden für deren Wohlergehen zur Verfügung stehen müssen.
Natürlich muss man das Buch auf Reisen lesen! Vielleicht findet man in diesem Sittenbild auf Rädern auch Personenprofile, die einem gerade in Echtzeit begegnen.

Text: Ulf Engelmayer
Suzette Mayr – Der Schlafwagendiener, geb, 25€
Wagenbachverlag, ISBN 978-3-8031-3357-1

Bewertung *****

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