Das Buch „Das Ende des Kapitalismus“ der TAZ-Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann hat es auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste geschafft. Nun sind derartige Ranking nicht immer eine uneingeschränkte Leseempfehlung, Orientierung bieten sie dennoch. Beim Titel des Buchs ist insbesondere auf die Unterzeile zu achten: „Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden.“ Vorab – dies Buch ist ein Debattenbuch, Gewissheiten werden hier eher nicht verkauft, obwohl die Autorin fest überzeugt ist, dass eine Energiewende hin zu mehr Klimaschutz im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht möglich ist. Regenerative Energien unterliegen massiven täglichen Schwankungen in der Produktion, Speichermöglichkeiten sind sehr komplex und aufwändig, sprich teuer. Sie gehen einher mit massiven Energieverlusten auf den Transportwegen. Ein grünes Wachstum und die Einhaltung der Klimaziele sind nach Ansicht von Ulrike Herrmann ein nicht erreichbarer Zustand. Ziel muss eine Kreislaufwirtschaft sein, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln oder klimafreundlich neu herstellen lässt. Das Problem ist, wie dieser Prozess in Gang gesetzt werden kann. Was bei einer Produktion von oft unausgereiften Gesetzentwürfen zu diesem Thema passiert, müssen die Grünen zurzeit bitter erfahren. Was tun? Ulrike Herrmann führt hier als vorbildliches Modell die britische Kriegswirtschaft von 1939 an. Eine Idee, der auch viele Klimaschützer*innen (s. Die letzte Generation) anhängen. So soll es möglich werden, schnell die benötigten Ressourcen für regenerative Energien zur Verfügung zu stellen. Dies löst allerdings nicht das oben beschriebene Problem der Produktionsschwankungen. Herrmann unterschätzt zudem noch ein anderes Problem. Das vergangene Jahrhundert war geprägt von starken vertikalen Hierarchien in der Gesellschaft, geprägt durch Tradition und Produktionsverhältnisse. Diese Strukturen haben sich fragmentiert und aufgelöst. Hier allein auf die Autorität des Staates zu bauen, dürfte kaum funktionieren. Auch beim Thema Schrumpfen bleibt die Autorin unkonkret. „Die Regierung lenkt, aber die Betriebe bleiben privat. Ein Ökosozialismus ist also nicht gemeint,“ so Hermann. Zudem erscheint die Bedrohung für viele Bürger*innen, anders als Kriegsszenarien, zu abstrakt. Dennoch: das Buch bietet viele Ansätze für konstruktive Diskussionen, zeigt überraschende neue Aspekte über die Geschichte des Kapitalismus. Und: Ulrike Herrmann hat einen Aspekt ausgesprochen, der nachklingen wird, Klimaschutz ohne Verzicht auf unkontrolliertes Wachstum kann es nicht geben. Die größten Klimakiller der Welt sitzen nicht in der dritten Welt, sondern in den Industriegesellschaften. Das Buch „Das Ende des Kapitalismus“ von Ulrike Herrmann wird ergänzt durch einen 70-seitigen Anhang mit vielen Literaturhinweisen.
Text: Ulf Engelmayer
Ulrike Herrmann – Das Ende des Kapitalismus, HC, 24€
Kiepenhauer & Witsch, ISBN 978-3-462-00255-3