Von der Liebe zum Hass. Nach ihrem Bestseller „Radikale Zärtlichkeit – Warum Liebe politisch ist“ nun ein neues, kontroverses Buch von Şeyda Kurt. „Hass – Von der Macht eines widerständigen Gefühls“ ist ein Buch das Diskussion und Widerspruch auslöst. Seltene Eigenschaften in der heutigen Zeit. Die freie Journalistin, Moderatorin und Autorin nimmt sich den negativen Begriff Hass vor und stellt ihn in einen neuen linken Kontext. Wer sind die Leute, die hassen, in welchen Machtverhältnissen leben sie? Welche Hassformen säen Kolonisatoren, um Machtstrukturen zu stärken? Wie entsteht Hass als zähe, klebrige Emotion, insbesondere in Milieus, die von gesellschaftlichen Entwicklungen abgehängt sind.
Kurt kritisiert in dem Buch auch die „Friede, Freude, Eierkuchen Gesellschaft“ der linksliberalen Mittelklasse deren Politisierung nur bis zur eigenen Türschwelle reicht. Und die Gefühlswelt der kapitalistischen Gesellschaft, die auf den drei Grundsäulen Ordnung, Verdrängung und Konsum ruht. Für die politisch-emanzipatorische Auseinandersetzung kann Hass für Şeyda Kurt durchaus eine antreibende Kraft sein. Das „widerständige Gefühl“ stellt sich allerdings auch bei Leser*innen des Buchs ein. Nicht alles erscheint schlüssig, insbesondere die Haltung zu rechtsstaatlichen Prinzipien ist schwammig. Hier findet man zum Thema eher eine Collage, eine fragmentarische Sammlung von Gedanken. Diese haben aber eine enorme Spannbreite: Von eigenen migrantischen Erfahrungen, über Klassismus, kulturphilosophischen und feministischen Betrachtungen bis hin zur politischen Praxis emanzipatorischer Bewegungen. Das ist nicht immer widerspruchsfrei, macht aber gerade den Reiz dieses Buchs aus. Şeyda Kurts Auftritt beim Göttinger Literaturherbst bestätigte dies.
Şeyda Kurt, geboren 1992 in Köln, studierte Philosophie, Romanistik und Kulturjournalismus in Köln, Bordeaux und Berlin. Sie schreibt unter anderem für die taz und die Zeit.
„Hass – Von der Macht eines widerständigen Gefühls“ ist als Paperback bei HarperCollins erschienen und kostet 18 €.
Text: Ulf Engelmayer
Bewertung ***