Leben, um zu programmieren, dass ist der Zweck in Raphaela Edelbauers dystopischen Roman „Dave“. Das ganze Leben spielt sich unter der Erdoberfläche ab, sauber sozial getrennt über fünf verschiedene Ebenen. Im Mittelpunkt der Daten- und Menschenströme steht das sogenannte Zentrallabor. Hier entwickelt man die neue Superintelligenz, genannt Dave. Zugang hat nur die Professorenkaste aus der obersten Ebene dieser abgeschotteten Miniwelt. Nach einem massiven Störfall im System erweckt der Programmierer Syz plötzlich das Interesse der Wissenschaftskaste. Mit seinem Aufstieg ins Innere der Macht und der Möglichkeit aktiv die Entwicklung der Superintelligenz voranzutreiben, beginnt für Syz die Reise ins innerste seiner eigenen Identität und der Verlust aller bisherigen Gewissheiten. Wie gehen Rechenkraft und menschliches Bewusstsein, entwickelt von Erfahrung und Erinnerung zusammen? Dies ist eine zentrale Frage dieses raffinierten Romans. Wie kann es gelingen, einem reinen Zeichenverwandler eine semantische Dimension hinzuzufügen? Dies ist kein Thriller oder rein dystopischer Roman. Raphaela Edelbauer hat zehn Jahre an diesem Konzept gearbeitet. Philosophische, kybernetische und gesellschaftliche Aspekte sind mit eingeflossen, die Gedankenwelt der Computer Nerds durchleuchtet. Das macht das Lesen zur Arbeit. Es gibt Momente, da möchte man das Buch zur Seite legen, kurze Zeit später ließt man fasziniert weiter. Fazit: Dave ist der große gesellschaftliche Roman dieses Jahres. Es ist schade, dass Corona zurzeit einen Face-to-Face Dialog nicht zulässt. Wir werden aber weiter über dieses Buch reden müssen, gerade in einem wissenschaftlich geprägten Umfeld.
Text: Ulf Engelmayer
Raphaela Edelbauer – Dave, geb, 25€
Klett-Cotta, ISBN 978-3-608-96473-8