Peter Kemper – The Sound of Rebellion

Mit „The Sound of Rebellion” von Peter Kemper liegt nun ein weiteres Standardwerk über das Wesen und die Geschichte des Jazz vor. Anders als im Jazzbuch von Hans-Joachim Behrendt legt Kemper den Schwerpunkt auf die zentrale Frage: wie politisch ist der Jazz? Für ihn ist die Geschichte des Jazz und die Entwicklung der unterschiedlichsten Stile schon immer verknüpft mit der Auseinandersetzung des strukturellen Rassismus in den USA und der sozialen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung. Entstanden ist so ein fakten- und erkenntnisreiches Buch über die Geschichte afroamerikanischer Emanzipationsprozesse. Sie reicht von den Jahren der strikten Rassentrennung, der Jim Croce Gesetze und den Lynchmorden im Süden der USA, bis hin zu der „Black Lives Matter“ Bewegung in der Jetztzeit. Es gelingt Kemper, ausgerüstet mit einem unglaublichen Detailwissen, ein atmosphärisch dichtes Bild dieser Zeit und ihrer jeweiligen Protagonisten zu zeichnen. Und da kommt durchaus Überraschendes zu Tage. Der Jazztrompeter Louis Armstrong war nicht der harmlose, nette „Onkel Tom Typ“, unpolitisch und dauernd augenrollend den schwarzen Entertainer mimend. Ebenso wie Duke Ellington hatte er einen klaren Blick auf die Rassendiskriminierung und äußerte sich auch offen gegen die entsprechende Politik der amerikanischen Regierung. Will man Jazz in den Kontext des Kampfs um Bürgerrechte stellen, kann es nicht ausbleiben, dass „The Sound of Rebellion” kein reines Standardwerk über die Geschichte des Jazz darstellt. Will heißen: Kemper konzentriert sich in seinem Buch auf zentrale Protagonisten des Jazz, die zentrale Meilensteine gesetzt haben, oder als politische Aktivisten auch die Struktur des Jazz beeinflusst habe, Er erzählt die Geschichte von Billie Holiday und ihren bahnbrechenden Song „Strange Fruit“, die Entwicklung des Bebops und des Hardbop. Raum bekommen auch die Afrofuturisten um Sun Ra, das Art Ensemble of Chicago und der Free Jazz Aktivist Ornette Coleman. Das Buch schlägt auch den Bogen zu aktuellen Entwicklungen des Jazz. Hier seien Kamasi Washington und die neue Hip-Hop Szene genannt. Peter Kemper hat im Rahmen des diesjährigen Göttinger Jazzfestivals sein Buch im Literarischen Zentrum vorgestellt. In einem furiosen Vortrag zeigte er anhand von Charles Mingus und Kamasi Washington die musikalischen und politischen Entwicklungslinien auf. Insbesondere Washington gelang eine Weiterentwicklung unter dem Motto „Harmony of Difference“. Der Buchklotz „The Sound of Rebellion” gehört zu den spannendsten Projekten über die Geschichte des Jazz das auf dem Markt zu finden ist. Voll mit unbekannten Anekdoten, einem langen Interview mit dem Musiker und Geisteswissenschaftler Archie Shepp. Sowie über Reflexionen zur Semantik und Sprache des Jazz.

„The Sound of Rebellion” von Peter Kemper ist erschienen bei Reclam, hat 750 Seiten und kostet 38€. ISBN 978-3-15-011324-0
Text: Ulf Engelmayer
Bewertung ******

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