Die Radio- und Fernsehautorin Lena Gilhaus wurde 1985 geboren. Durch Zufall hörte sie von ihrem Vater von den Kinderkuren. Auch er wurde als Kind zu einer Kur geschickt. Seine Erzählungen führen die Tochter zu Recherchen über Kinderkuren. Nachdem die Autorin erste Ergebnisse veröffentlicht hatte, begann eine regelrechte Lawine von Meldungen Betroffener. Das Bedürfnis von eigenen Erfahrungen zu berichten war groß. Ein Grund für die Journalistin weiterzumachen. Sie stellt fest, dass von Kriegsende an bis in die 90er Jahre, sowohl in der BRD als auch in der DDR über 15 Millionen Mal Kinder zur Kur geschickt worden sind. Eine unglaubliche Zahl. Viele Kinder erlebten so eine Kur mehr als einmal in ihrer Kindheit. Für viele ein traumatisches Erlebnis. Deutschlandweit gab es Kinderheime. Von Nord- und Ostsee bis in die Berge Süddeutschlands. Das Ziel war Kindern zur Erholung und Gesundung zu verhelfen. Als Bewertungskriterium galt eine Gewichtszunahme am Ende der Kur. In der Nachkriegszeit ein Thema, was wie ein soziales Arrangement wirkt. Die Eltern hatten keinen Einfluss und keine Kenntnis über die wahren Strukturen der Kindererholungsheime. Für viele Kinder hatten die physischen und psychischen Torturen Nachwirkungen bis in ihr Erwachsenenalter. Geredet wurde über dieses Thema wenig. Die Autorin berichtet über Missbrauch, Gewalt, schlechte medizinische Versorgung bis hin zu Todesfällen. Ein Thema was zwingend aufgearbeitet werden muss. Lena Gilhaus Recherchen geben einen Einblick in unveröffentlichte Dokumente. Interessant sind die Erlebnisberichte Betroffener. Eine Chance sich mitteilen zu können und Kontakte zu anderen Betroffenen aufnehmen zu können. Neben dem Buch hat die Autorin einen Film zu dem Thema Verschickungskinder gemacht. Eine längst überfällige Dokumentation.
Text: Jutta Engelmayer
Lena Gilhaus – Verschickungskinder, HC, 24,-€
KiWi, 978-3-462-00288-1