Alles hinter sich lassen, neu anfangen, die Wahl haben, sich entscheiden. Vor diesen Fragen stehen viele Menschen, oft bleibt es beim Bewährten. Die namenlose Ich-Erzählerin in Judith Hermanns Roman „Daheim“ steht vor diesen Herausforderungen. Nach Auszug der Tochter und Trennung von ihrem Mann beginnt sie ein vorsichtiges neues Leben auf dem Land. Sie hilft ihrem älteren Bruder in dessen Kneipe und freundet sich mit ihrer Nachbarin, einer extrovertierten Malerin an. Mit deren Bruder, einem in sich gekehrten Schweinezüchter, bahnt sich eine zarte Liaison an. Ein überschaubarer Personenkreis, aus der Zeit gefallen, unberührt von den aktuellen Turbulenzen. Judith Hermann gelingt es in ihrem neuen Roman, eine seltsam hypnotische und beruhigende Stimmung zu erzeugen. Die Beziehungen unter den Protagonisten entwickeln sich langsam und zwangsläufig. Ein wahrhaft existentialistischer Roman, mit einprägsamen Charakteren und ihrem Treiben im Zeitstrom. Nicht ohne Grund für den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 nominiert.
Text: Ulf Engelmayer
Judith Hermann – Daheim, HC, 21€
S.Fischer Verlag, 978-3-10-397035-7