Nein, das ist keine neunmalkluge soziologische Abhandlung über die europäische Migrationsfrage. Es ist ein Reisebuch, und zwar durch das schwarze Europa. Johny Pitts, geboren und aufgewachsen in Sheffield, hat sich als Autor, Fotograf, Fernsehmoderator und Journalist einen Namen gemacht. Er ist Mitbegründer des Online-Journals Afropean Adventures in Black Europa.
Pitts macht sich auf eine lange Reise durch Europa, um der Frage nachzugehen, ob es so etwas wie eine afropäische Identität gibt. Er besucht in Paris schwarze Aktivisten und Künstler, schaut sich in der Banlieue, den Randbezirken der Metropole um. In Berlin lernt er das Leben und die Probleme ghanaischer Rastafaris kennen. In Moskau Studenten der Patrice-Lumumba-Universität. Die Reise geht über Amsterdam, Brüssel, Stockholm. In Marseille trifft er auf eine blühende, diverse afropäische Kultur. Seine letzte Station sind die Favelas von Lissabon. Überall findet er Menschen auf der Suche nach ihrer Identität, nach ihrem Platz in der europäischen Gesellschaft. Klar wird aber auch, wie stark sich dieses multikulturell entwickelnde Europa noch stark von seiner kolonialen Vergangenheit, den Nachkriegsstrukturen und vom Rassismus geprägt ist. Eine meisterhafte Reportage, angereichert mit unfassbarem, teilweise überraschendem Faktenwissen. Exzellent geschrieben, ein empathisches Portrait einer aufstrebenden und agilen Black Community in Europa. Ein Buch, dem man sich einen größtmöglichen Verbreitungsgrad wünscht.
Text: Ulf Engelmayer
Johny Pitts – Afropäisch, HC, 26€
Suhrkamp, ISBN 978-3-518-42941-9