Wie ist es möglich, eine Karriere als Galerist einzuschlagen, wenn man sich in seinem Urteil nicht auf sein Augenlicht verlassen kann? Wie organisiert man seine Reisen, sein Alltagsgeschäft? Und: wie wird man zu einem der angesagtesten Galeristen in der internationalen Kunstszene?
Wer Antworten auf diese Fragen bekommen möchte, der sollte zum Buch von Johann König „Blinder Galerist“ greifen. Der familiäre Bezug zur Kunst wird schnell offensichtlich. Seine Mutter Edda Köchl-König ist Illustratorin und Schauspielerin, der Vater Kaspar König Kunstprofessor und Kurator. Sein Onkel Walter König ist einer der renommiertesten Kunstbuchhändler Deutschlands. Kunst war in den Familien ein Dauerthema. „Nicht einmal in den Ferien blieb ich davon verschont“, so Kaspar König. „Egal, wohin wir fuhren, es hatte immer etwas mit Kunst zu tun. Kunst. Kunst. Kunst. Dauernd nur Kunst. Viele Jahre lang fand ich Kunst das Schlimmste.“ Über seinen Vater lernt er viele große zeitgenössische Künstler und ihre Ateliers kennen. Dann mit zwölf Jahren ein tragischer Unfall, der fast sein komplettes Augenlicht kostet. Zahlreiche Operationen folgen, der Zustand reicht von fast kompletter Blindheit bis hin zu einer gelungenen Hornhauttransplantation im Jahr 2008. Diese führte zu einer deutlichen Verbesserung der Lebenssituation. Die Familie war ihm während der ganzen schwierigen Zeit eine Stütze, sie half ihm auch bei seiner Entscheidung in Berlin eine Galerie zu eröffnen. Nach ersten Fehlschlägen ging es dann schnell aufwärts. Durch seine internationalen Kontakte z.B. auf der Art Basel in Miami erregte er durch seine fundierte und spannende Auswahl von jungen Künstler:innen schnell Aufmerksamkeit. Größere Galerieräume mussten her. In einer Betonkirche in Berlin betreibt er zur Zeit einer der spektakulärsten Galerien Deutschlands.
Das Buch „Blinder Galerist“, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Susan Sonntag Biografen Daniel Schreiber bietet einen spannenden und hochinformativen Einblick in die Welt der aktuellen Kunstszene. Beschrieben von einer Person, die in sehr jungen Jahren ihren persönlichen Kampf um ihre Selbstständigkeit und Selbstfindung unter widrigsten Umständen führen musste. Sehr eindringlich die Schilderungen über die Organisation des Alltagslebens einer fast blinden Person, der es gelingt trotz Handicaps zum Popstar unter den Galeristen aufzusteigen.
Für alle Kunstinteressierten ein „Must read“. Das Taschenbuch ist reich bebildert und bietet damit auch einen Anreiz die Galerie in der ehemaligen St. Agnes Kirche persönlich in Augenschein zu nehmen.
Die Chronistenpflicht gebietet es darauf hinzuweisen, dass Johann König seit der Veröffentlichung in der Zeit im August mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs konfrontiert wird. Dies hat zu einem Rechtsstreit mit der Zeit und einer Stellungnahme von König in der Berliner Zeitung geführt.
Text: Ulf Engelmayer
Johann König – Blinder Galerist
Ullstein Verlag 13,99 €