Nach „Amerika“ und „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war“ ist dies der dritte Teil, der auf sechs Zyklen aufgebauten Erzählung „Alle Toten fliegen hoch“. Mit 20 Jahren muss der Erzähler sich entscheiden. Zivildienst im Krankenhaus rechts der Isar, leben im Schwesternwohnheim oder eine drei Jahre dauernde Ausbildung an der Schauspielschule und wohnen bei den Großeltern in München. Ein unerklärlicher Zufall, dass sich beide Wege auftaten. Die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule stand zunächst unter keinem guten Stern. Von drei für die Aufnahmeprüfung geforderten Rollen konnte er nur eine vorstellen. Danton aus Georg Büchners Danton`s Tod. Diese eine Darstellung hinterließ bei ausreichend vielen Prüfern den Eindruck, diesen großen, jungen Sportler zu einem Schauspieler ausbilden zu können. So zog der Erzähler bei seinen Großeltern in eine alte Münchner Villa ein. Ein Haus in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Die Großmutter war eine bekannte Theaterschauspielerin, hatte die Bühne aber Mitter der 60er Jahre verlassen. Ihre darstellende Kunst übertrug sie oft auf ihren Alltag. Der Stiefgroßvater war ein emeritierter Professor der Philosophie. Die Villa war ihr Refugium das sie nur zwei Mal im Jahr verließen um Urlaub zu machen. Der junge Schauspielschüler zog in das rosa Zimmer der Großmutter ein und wohnte dort drei Jahre lang. Dazwischen lag die Ausbildung, die ihm die unmöglichsten Dinge abverlangten, „Du musst lernen mit den Brustwarzen zu lächeln“ und die sich täglich wiederholenden Rituale der Großeltern. Dazu gehörte ein fester Ablauf von Trinkgewohnheiten: Champagner zum Frühstück und am frühen Abend ein Whisky. Der Weinkeller war gut bestückt und zum Einschlafen gab es eine Auswahl von Tabletten.
Auch in diesem Buch sind Leben und Tod dicht miteinander verwoben. Vergangenheit und Gegenwart prägen den jungen Mann für seinen weiteren Weg. Diese drei Münchener Jahre, die selbst schon wie ein Theaterstück erscheinen, werden wunderbar formuliert erzählt. Die Worte erzeugen Bilder im Kopf, der Leser sitzt im Theater und schaut dem Protagonisten bei seinem Leben zu – mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Text: Jutta Engelmayer
Joachim Meyerhoff – Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke, TB, 10,99€
Kiwi, 09.03.2017, ISBN 978-3-462-05034-9