„Die Zukunft einer großen Idee“, so der Untertitel des neuen Buchs von Heinz Bude. In seinem neuen Assay nimmt der Autor den Begriff „Solidarität“ unter die Lupe. Ein Wort, das in Zeiten der Selbstoptimierung, der Ich-AG`s, der tiefen sozialen Spaltung der Gesellschaft, einem massiven Bedeutungsverlust unterliegt. „Das Wir der Nachkriegssolidarität nach 1945 scheint sich genauso aufgebraucht zu haben, wie das Wir der Aufbruchssolidarität“, so der nüchterne Befund des Kassler Soziologen. Dem Autor gelingt in seinem Buch ein intelligentes ausleuchten dieses Begriffs entlang der Nachkriegsgeschichte. Nach dem Zusammenbruch galt die Losung: „Allen soll es bessergehen“. Schon mit Blick und als Alternative zu den sozialistischen Ländern. Dies führte zu bemerkenswerten Zwangskoalitionen. Als ein Beispiel ist das Stuttgarter Verhandlungspaar Bleicher / Schleyer zu nennen. Willi Bleicher war 1959 bis 1972 Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, und als Kommunist und Gewerkschafter, acht Jahre im Konzentrationslager Buchenwald.
Hans-Martin Schleyer, der von der RAF ermordete Arbeitgeberpräsident, war im NS-Staat Parteimitglied und brachte es bis zum SS-Untersturmführer. Trotzdem waren beide gezwungen miteinander auszukommen und Kompromisse zu schließen, die der Bundesrepublik lange Zeit einen sozialen Frieden garantierte.
Bude gelingt es mit der Analyse von Clanstrukturen, sozialem Leben im Dorf und in der Stadt, den Blick für den Begriff „Solidarität“ zu schärfen und neu auszurichten. Dazu gehört die gesellschaftliche Verständigung auf gemeinsame Dinge, die wir teilen.
Ein wichtiges Buch, dass eine neue Sicht auf den etwas verstaubten Begriff „Solidarität“ ermöglicht.
Text: Ulf Engelmayer
Heinz Bude – Solidarität, HC, 19€
Hanser, 978-3-446-26184-6