Filmfestivaldirektoren sind eine seltene Spezies. Ein Berufsbild dafür gibt es nicht. Wer in diesem Genre überleben will, muss mit einer Vielzahl von Talenten und Fähigkeiten gesegnet sein. Vermittler, Kommunikator, Organisator, Filmenthusiast, Visionär – alles in einer Person und versehen mit einem sehr dicken Fell. Jetzt hat ein Altmeister seine Geschichte erzählt. Dies nicht allein, sondern mit tatkräftiger Unterstützung eines Schweizer Journalisten. Christian Jungen, Ressortleiter Kultur der Neuen Züricher Zeitung, hat gemeinsam mit Moritz de Hadeln, dem ehemaligen Berlinale Direktor, dessen Biografie vorgelegt. Beim Lesen merkt man: das Team funktioniert. „Mister Filmfestival“, so der Titel des Buches, umreißt schon mit dieser Überschrift das zentrale Schaffen de Hadelns. Aber es gab auch ein Leben davor, als Fotograf und Filmemacher. Dies führte ihn zu seiner ersten Festivaldirektion, nämlich in Nyon. Unter seiner Leitung wurde dieses Festival zum Mekka des Dokumentarfilms. Schnell verbreitet sich sein Ruf als talentierter Festivalmanager. Die nächste Station ist Locarno. Als unermüdlicher Mittler zwischen Ost und West und Förderer der osteuropäischen Filmkultur, kommt der Ruf aus Berlin, sich um dieses Festival zu kümmern. Er sagt zu, seine Frau Erika immer aktiv an seiner Seite. De Hadeln holt geschickt Hollywood zurück nach Berlin. Die DEFA der DDR wird regelmäßiger Gast auf den Filmfestspielen, der deutsche Autorenfilm etabliert sich. Interessant für den Leser ist der kontinuierliche Blick hinter die Kulissen der großen Festivals. Starallüren, zahllose Versuche der Einflussnahme durch Politik und Interessengruppen und natürlich die unvermeidlichen Skandale. Für Freunde des künstlerischen Kinos ist dieses Buch ein absolutes Muss.
Text: Ulf Engelmayer
Christian Jungen – Moritz de Hadeln – Mister Filmfestival, geb., 488S., 29,80€
Verlag Rüffer und Rub, 978-3-907625989