Celeste Ng ist eine amerikanische Schriftstellerin mit Migrationshintergrund. Ihre Eltern, Physiker und Chemiker, wanderten aus Hongkong in die USA ein. Sie lebten in Pittsburgh und Cleveland und lernten dadurch die sozialen und ökonomischen Probleme im sogenannten Rust Belt kennen. Celeste Ng studierte Englisch an der Harvard University und Kreatives Schreiben an der University of Michigan. Ihr zweiter Roman „Little Fires Everywhere“ schaffte es kurz nach Erscheinen auf die New York Times-Bestsellerliste. Das Buch wurde als Miniserie mit Kerry Washington und Reese Witherspoon verfilmt. Wer die Serie gesehen oder das Buch gelesen hat, dem dürfte klar sein, dass auch ihr neues Buch „Die verschwundenen Herzen“ kein Wohlfühlroman ist.
Die Handlung: Die USA in einer nahen Zukunft. Nach Jahren der Instabilität und Gewalt schafft ein patriotisches Gesetz PACT genannt, Ruhe und Ordnung. In einem Handbuch für junge Patrioten heißt es dazu, „..PACT ist mehr als ein Gesetz. Es ist ein Versprechen, das wir einander geben: ein Versprechen, unsere amerikanische Ideale und Werte zu schützen; ein Versprechen, dass Menschen, die unser Land durch unamerikanische Ideen schwächen, mit Konsequenzen rechnen müssen.“ Ohne ein klares Feindbild funktioniert dies nicht. Hier sind es asiatisch aussehende Menschen, die diskriminiert werden, deren Kinder zur Adoption freigegeben werden. Auch der bei seinem Vater lebende zwölfjährige Bird ist davon betroffen. Seine asiatische Mutter ist wegen eines vermeintlich aufrührerischen Textes, nämlich einem Gedichtband mit dem Titel „Die verschwundenen Herzen“ untergetaucht. Der Vater versucht, ein möglichst unauffälliges Leben zu führen. Eines Tages erhält Bird einen Brief von seiner Mutter. Mit Hilfe von Unterstützern in öffentlichen Bibliotheken macht er sich auf die Suche nach seiner Mutter, nach seiner eigenen Vergangenheit. Das Buch von Celeste Ng ist ein Lehrstück über die Mechanismen, die dazu führen, dass sich eine Demokratie langsam in Luft auflöst. Und mit ihr der linksliberale Mittelstand, der es sich gemütlich in der Gesellschaft eingerichtet hatte und davon ausging, dass die Verhältnisse sich per se immer zum Guten wenden. Wie schnell bürgerliche Fassaden zum Einsturz kommen, hat Ng zu bei „Little Fires Everywhere“ eindrucksvoll gezeigt. Welche Mechanismen zum Einsturz der bürgerlichen Befindlichkeiten führen hat sie in ihrem neuen Roman eindrücklich beschrieben. Das Buch ist eine Pflichtlektüre für jeden Menschen, der sich für die schleichenden politischen Entwicklungen interessiert, die eine Gesellschaft zerstören. Denn: das Fehlen eines Diskurses, der offenen Diskussion, dies kombiniert mit Angst, ist der erste Schritt auf dem Weg in den Abgrund.
Celeste Ng – Unsere verschwundenen Herzen, HC, 25€
dtv, ISBN 978-3-423-29035-7