Es ist ein schmaler Band dieser Autorin, ein Essay. Was wir in diesem Band finden, sind zwei Vorlesungen im Rahmen der Wuppertaler Poetik Dozentur für faktuales Erzählen. Und zwar zu zwei zentralen Themen der Zeit: Gewalt und Klima. Carolin Emcke, als Kriegsreporterin in vielen Brennpunkten der Welt unterwegs gewesen, zudem eine brillante Essayistin. Und ja, man muss es sagen, sie ist eine exakte Denkerin, exakt die richtige Person, um über diese Themen zu reflektieren.
„Wir erzählen nicht nur alles für uns selbst“. Dieser zentrale Satz, Einstieg im Vorwort, gibt die Richtung des Bands vor. Emcke zeigt Konflikte auf, die auf jemanden zukommen, der sich dem faktualen Erzählen widmet.
Sie sagt dazu: „… eine undurchsichtige, verwirrende Konfiguration aus Prägung, vor Annahmen, aber auch affektiven Kompetenzen erleichtert oder erschwert die Wahrnehmung. Gerade in Krisenregionen verleitet unter anderem das Mitgefühl mit einer verzweifelten Person oder Gruppe zu empathisch glauben wollen… Das geschieht oft unmerklich und intuitiv. Es braucht das Befragen dessen, was einem geschieht und was es mit einem macht.“
Die Betrachtungen dieses Grundproblems, man kann auch sagen, diese Grundannahme zieht sich durch beide Vorlesungen zum Thema Gewalt und Klima. Die Sichtweisen der Autorin ziehen den Leser, allein durch ihre Brillanz und Klarheit sofort tief in das Buch hinein.
Für Emcke gibt es Parallelen im Erzählen und Argumentieren, sowohl im Angesicht der Klimakatastrophe als auch im Kontext von Krieg und Gewalt. Der Schreiber oder die Schreiberin sieht sich immer auch Schwellen und Widerständen gegenüber, insbesondere beim Klimawandel, dem kognitiven Widerstand. Hier geht es darum, sich etwas real vorzustellen, dass den normativen Erwartungen nicht entspricht. Diese nachvollziehbaren inneren Barrieren erstens zu erkennen und zweitens in der Erzählung zu verarbeiten, sind eine enorme Herausforderung für den Autor. Die beiden Texte von Carolin Emcke sind ein wahres Füllhorn von Zitaten, Selbstreflektionen, Perspektivwechseln und Anregungen seinen eigenen Schreibstil einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Auch für diejenigen, die sich nicht dem anstrengenden Prozess des Schreibens unterziehen wollen oder können, birgt dieses Buch einen enormen Erkenntnisgewinn. Für die schreibende Zunft gilt: bewahren Sie dieses Buch immer in Schreibtischnähe auf, sie werden oft darauf zurückgreifen.
Carolin Emcke – was wahr ist – über Gewalt und Klima ist erschienen im Wallstein Verlag und kostet 20 €. ISBN 978-3-8353-5625-2
Bewertung: ****
Text: Ulf Engelmayer