Wie der Präsidentschaftswahlkampf 2016 ausgegangen wäre, wenn statt Hilary Clinton der Senator Bernie Sanders gegen Trump angetreten wäre, darüber kann man nur spekulieren. Sicher ist aber, dass Sanders in den sogenannten Swingstates Punkte gemacht hätte. Jetzt ist auf deutsch sein Buch „Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein“ im Tropen Verlag erschienen. Das Buch beginnt mit dem Vorwahlkampf im Jahr 2020 und spannt den Bogen über die Initiativen von Sanders im Senat, bis hin zu einigen generellen Betrachtungen über den Zustand des politisch-kapitalistischen Systems in den USA. Die Intension des Buchs wird schon in der Einleitung klar: „Wir müssen endlich anfangen, gesamtgesellschaftliche Fragen zu stellen“, so Sanders.
Es ist hochinteressant Bernie Sanders Kärnertour durch die Bundesstaaten mitzuerleben. Ein Vorkampfmarathon, der ihn auch gesundheitlich beschädigt. Die Kampagne wird getragen von zahllosen Einzelspendern und Aktivist*innen in vielen Bundesstaaten. Sich Zeit nehmen und zuhören, was die Menschen umtreibt, so das Motto. Schon 2020 war klar, es ist nicht nur eine Wahl zwischen Donald Trump und Joe Biden, sondern eine Wahl zwischen Trump und der Demokratie. Denn „In Trumps Kopf gibt es keine denkbare Art, wie er aus dem Amt scheiden sollte“, so Sanders.
Auch wenn der Abschnitt über die parlamentarischen Initiativen Sanders unter der Präsidentschaft Biden etwas trocken und für Nichtamerikaner zu detailliert geraten ist, zeigt er wie einzelne Senatoren ein ganzes politisches System lähmen können.
Konkret und fundiert ist hingegen Sanders Analyse des Systemzustands des Lands. Die USA sind weit vom roosevelt`schen Ideal entfernt, jedem Menschen gleiche soziale, kulturelle und soziale Grundrechte zu gewähren, so Sanders. Ein System, das Superreichen erlaubt, Wahlen und Politiker zu kaufen. Dies in einer Zeit, in der auch der Journalismus in einer tiefen Krise ist und pro Woche laut Washington Post zwei Zeitungen schließen. Alles in einer Zeit von Fake News und der Übermacht der sozialen Medien.
Dennoch schließt das Buch mit einem optimistischen Blick. Gutes politisches Handeln ist gute Politik, so das Credo des mittlerweile 82jährigen Politikers. Ein Optimismus, von dem wir uns auch in Deutschland anstecken lassen sollten. Bernie Sanders, einer der letzten aufrechten Solitäre im amerikanischen Politiksystem. Vielen Dank für dieses mutmachende Buch!
Text: Ulf Engelmayer
Bewertung ****
Bernie Sanders – Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein, HC, 26,-€
Tropen, ISBN 978-3-608-50220-6