Nach den Erinnerungen von Michelle Obama nun die Biografie von Barack Obama. Gleich vorab: bei dem Buch „Ein verheißenes Land“ handelt es sich nur um den ersten Teil seiner Memoiren. Obama hatte insgesamt 500 Seiten Umfang geplant, jetzt umfasst allein der erste Band über 1000 Seiten. Autobiografien von Politikern schildern aus der Sicht der Akteure historische Ereignisse, die Alltagspolitik, das Werden der politischen Person, die beteiligten Zeitgenossen. In der Regel erfährt man wenig über die innere Verfasstheit der schreibenden Person. Anders bei Obama. Hier spielen Selbstreflexion, Zweifel, Einfühlungsvermögen, Emotionen und die eigene Biografie, eine nicht unerheblich Rolle. Das ist neu, insbesondere wenn es sich bei der Person um einen der mächtigsten Politiker der Welt handelt. Obama wird in seinem Präsidentenamt schnell mit den begrenzten Handlungsmöglichkeiten konfrontiert. Bedingt zum einen durch die schwierigen Machtverhältnisse im Repräsentantenhaus und im Senat. Zum anderen durch die aktive Lobbyismus Tätigkeit und die eingefahrenen Verhältnisse in der Administration. Zudem wird klar, wie schwierig das wirtschaftliche Erbe war, das Obama durch die globale Finanzkrise übernehmen musste. Besonders aufschlussreich ist die Biografie bei der Beschreibung der rassistischen Seite der amerikanischen Gesellschaft und der damaligen Entwicklung der republikanischen Partei und ihres Rechtsauslegers „Tea Party“, die zwangsläufig in der Präsidentschaft Donald Trumps endete. Auch Obama ist klar, dass Wahlen allein nicht genügen, um eine stabile und funktionierende Demokratie zu schaffen und zu erhalten. Wie sich seine eigene Authentizität in diesem Zentrum der Macht erhalten, wie verhindern das man die Bodenhaftung verliert? Obama gelingt das mit zahlreichen regelmäßigen Ritualen, wie z.B. dem täglichen Lesen bzw. bearbeiten von Bürgerbriefen zum Ende eines Arbeitstags. Barack Obamas Autobiografie ist ein im besten Sinne des Wortes wahrhaftiges Buch, das die Leser auf eine intime Reise in das Zentrum der Macht der noch größten Industrienation der Welt mitnimmt. Etwas ermüdend die langen Sequenzen der Konsensfindung bei Gesetzesvorhaben, aber so ist Demokratie nun mal, oft langweilig und unspektakulär. Und das ist gut so.
„Ein verheißenes Land“ ist nicht ohne Grund ein Bestseller. Die beste politische Biografie seit langer Zeit. Das macht Hoffnung und Lust auf den zweiten Teil.
Text: Ulf Engelmayer
Barack Obama – Ein verheißenes Land, HC, 42€
Penguin Verlag, ISBN 978-3-328-60062-6