Unter dem Titel „1000 Jahre Freud und Leid“ hat der weltberühmte chinesische Künstler Ai Weiwei jetzt seine Erinnerungen vorgelegt. Erinnerungen auch und gerade an seinen Vater Ai Qing. Dieser war ein enger Vertrauter Mao Tse Tungs und gehörte zu den einflussreichsten Dichtern Chinas. Während der Kulturrevolution wurde er als „Rechtsabweichler“ gebrandmarkt und von den Roten Garden schikaniert. Lange Jahre der Verbannung folgten. Die Schilderungen dieser Zeit nehmen im Buch breiten Raum ein und lassen den Leser an dieser dunklen Zeit emotional teilnehmen. Jahrelang lebte Ai Weiwei dort mit seinem Vater in einer Erdhöhle, bis es zu einer, zumindest teilweisen Rehabilitierung kam. Diese Zeit hat den Künstler für sein weiteres Leben stark geprägt. Der Weg zu einem der wichtigsten Künstler der Gegenwart war steinig und nicht gradlinig. Großen Einfluss hatte darauf seine Zeit in New York und dort die Begegnung mit den Kunstgrößen der 80ger Jahre. Der Durchbruch kam aber erst nach seiner Rückkehr nach China. Im Jahr 2008 stand der Künstler dem Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron als künstlerischer Berater bei der Konstruktion des Pekinger Olympiastadions zur Seite, verzichtete aber auf die Teilnahme an der Eröffnungsfeier. Seine künstlerische Seite ist untrennbar verbunden mit seinem politischen Aktivismus.
„Für mich entspringt Inspiration dem Widerstand – ohne ihn wären meine Bemühungen vergeblich. Es war mein Glück, einen echten – und mächtigen – Widersacher zu haben, umso konkreter wurde die Freiheit – Freiheit kommt von all den Opfern, die man bringt, um sie zu erreichen“, schreibt er in seinem Buch.
Viele seiner Großinstallationen, Filme, Architekturbauten und Möbeladaptationen sind durch diese Kombination entstanden. Schnell geriet er dadurch in einen grundsätzlichen Konflikt mit dem chinesischen Staatsapparat. Ausreiseverbot und eine mehrwöchige schikanöse Einzelhaft waren die Folge. Durch internationalen Druck verbesserten sich seine Bedingungen. Ai Weiwei hat 2011 China verlassen, um eine Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste anzunehmen. Seit 2021 lebt er in Portugal. Die Erinnerungen von Ai Weiwei gehören zu den eindrücklichsten Autobiografien der letzten Jahre. Nachhaltig die eher lakonischen Schilderungen der Lebensbedingungen kritischer Künstler unter dem repressiven Regime Chinas. Wie groß und komplex das künstlerische Wirken von Ai Weiwei wird nach der Lektüre erst ansatzweise sichtbar. Für den Rezensenten die Motivation mehr darüber zu erfahren. Das Buch enthält Fotos und viele Zeichnungen von Ai Weiwei.
Text: Ulf Engelmayer
Ai Weiwei – 1000 Jahre Freud und Leid, HC, 38€
Penguin, ISBN 978-3-328-60231-6