Nicht nur Menschen haben eine Biografie. Der in Luzern geborene und in Zürich lebende Schriftsteller Stefan Ineichen hat ein Buch über die Geschichte eines Transatlantikdampfers geschrieben. Von der Geburt bis zum Tod, von der Jungfernfahrt bis zum Untergang. Bereits ein Jahr vor dem Stapellauf ereignete sich eine Katastrophe. Das Schwesterschiff, die Principessa Jolanda, kenterte im September 1907 zwanzig Minuten nach dem Stapellauf und versank. Ein schlechtes Omen? Ein Jahr später lief die Principessa Mafalda vom Stapel und startete ihre Jungfernfahrt von Genua nach Buenos Aires. Genannt wurden die beiden Dampfer nach den Töchtern des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. Mafalda war die zweite Tochter. Der Dampfer war mit 18 Knoten schnell. Die Fahrt über den Atlantik sollte nur 16 Tage dauern. Die Ausstattung war in der Luxus- und Ersten-Klasse komfortabel, schick und modern. Es gab ein exquisites Restaurant, Musikzimmer, Rauchsalon und Promenaden. In der Dritten-Klasse gab es keinen Komfort. Hier waren die meisten Passagiere in stickigen Schlafsälen untergebracht. Die meisten von ihnen erhofften sich in Argentinien ein besseres Leben. Das Schiff fuhr von seinem Stapellauf 1908 bis zum Untergang im Oktober 1927 über den Atlantik. Sie sank vor der brasilianischen Küste und kostete mehr als dreihundert Menschen das Leben. Vielleicht hätte diese Katastrophe verhindert werden können, denn der Dampfer hatte bereits beim Ablegen in Genua Maschinenprobleme.
Stefan Ineichen erzählt nicht nur die Geschichte des Ozeandampfers, sondern auch von den auf ihm reisenden Menschen. Zusätzlich erfährt der Leser viel wissenswertes über die Zeit, Kultur, Politik und Wirtschaft im frühen italienischen zwanzigsten Jahrhundert. Bemerkenswert sind die Schicksale der Auswanderer, die sich in Südamerika ein besseres Leben erhofften. Es gab Saisonarbeiter, die im Sommer in ihrer Heimat Italien oder Spanien arbeiteten und im Winter in Südamerika auf landwirtschaftlichen Betrieben ihr Geld verdienten. Manche bauten sich in Argentinien ein neues Leben auf und blieben dort. Aber auch viele Reiche und Berühmte überquerten auf dem Schiff den Atlantik.
Stefan Ineichen lebt als Ökologe und Schriftsteller in Zürich. Er ist Dozent für Angewandte Wissenschaften und hat bereits mehrere Bücher publiziert. Darunter auch Bücher über die Titanic und die Cap Arcona. Das Buch liest sich wie ein spannender Roman. Die geschichtlichen Hintergrundinformationen sind interessant und hervorragend mit den Beweggründen der in dieser Schiffsbiografie vorkommenden Menschen verknüpft. Ein empfehlenswertes, lehrreiches und unterhaltsames Buch.
Text: Jutta Engelmayer
Stefan Ineichen – Principessa Mafalda – Biografie eines Transatlantikdampfers, HC, 34€
Wagenbach Verlag, ISBN 9783803137203